Corona-Pandemie
Entlastung in den Kliniken der Region?

Chefarzt Dr. med. Horst Huber ist Ärztlicher Leiter der Intensivstation am Malteser Waldkrankenhaus St. Marien in Erlangen. | Foto: privat
  • Chefarzt Dr. med. Horst Huber ist Ärztlicher Leiter der Intensivstation am Malteser Waldkrankenhaus St. Marien in Erlangen.
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Über die Folgen der Corona-Infektionen für die Kliniken wurde wochenlang fast täglich berichtet. Umgekehrt war und ist die Auslastung (oder die zu vermeidende Überlastung) der Intensivstationen die wichtigste Begründung für die Einschränkung im täglichen Leben. Beides wird meist in großen Zahlen und Statistiken dargestellt, die für nicht direkt betroffene Menschen im wochenblatt-Land recht abstrakt bleiben.

Fragen an den Leiter einer Erlanger Intensivstation

Die Redaktion hat bei Dr. Horst Huber nachgefragt, wie er als Leiter einer Intensivstation die Pandemie in seiner täglichen Arbeit erlebt. Der Facharzt für Anästhesie lebt in Eckental und ist Ärztlicher Direktor sowie Chefarzt für Anästhesie und Intensivmedizin am Malteser Waldkrankenhaus St. Marien in Erlangen.

wochenblatt: Herr Dr. Huber, wie wirken sich die aktuell sinkenden Inzidenzwerte inzwischen auf die Belegung der ntensivstation im Waldkrankenhaus aus?

Dr. Huber: Inzwischen ist die Zahl der COVID-19 Patienten auf unserer Intensivstation erfreulich niedrig. Doch auch wenn die Anzahl der COVID-19 Neuerkrankungen aktuell deutlich rückl.ufig ist, spüren wir das im gesamten Großraum auf den Intensivstationen noch nicht. Am Waldkrankenhaus ist die Intensivstation - wie auch in den übrigen Einrichtungen des Großraums - fast durchgehend mit schwerkranken internistischen und operativen Patienten voll belegt. Insbesondere für das Pflegepersonal herrscht seit März letzten Jahres eine andauernde Phase durchgehend hoher Belastung und es ist keine Verschnaufpause absehbar.

wochenblatt: Die Belastung auf den Intensivstationen wurde in letzter Zeit gegensätzlich geschildert: Der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) wird Alarmismus vorgeworfen, weil sie angeblich die Zahl der verfügbaren Intensivplätze kleinrechnet. Ihr Kollege vom Klinikum Fürth, Dr. Manfred Wagner, protestierte öffentlich scharf dagegen. Wie sehr beeinträchtigt die Behandlung von Corona-Patienten die generelle medizinische Versorgung in den Kliniken oder im Waldkrankenhaus?

Dr. Huber: Intensivbetten einschließlich der Geräteausstattung sind überall ausreichend vorhanden. Woran es aber fehlt, ist das hochspezialisierte Pflegepersonal, das auf diesen Intensivplätzen Patienten versorgen kann.

Konkret führt der Mangel an betreibbaren Intensivbetten dazu, dass Notfälle nicht immer in das nächstgelegene geeignete Krankenhaus aufgenommen werden können, sondern längere Transportwege notwendig werden. Weiterhin werden in den Akutkrankenhäusern des Großraums planbare Eingriffe aufgeschoben, soweit medizinisch vertretbar. Das hat zur Folge, dass Patienten auf anstehende Eingriffe teils schon viele Monate warten müssen.

wochenblatt: Um wieviel ist der Aufwand für die Behandlung von Corona-Patienten größer als der Aufwand für Patienten, die ohne Corona-bedingte Isolierung behandelt werden können?

Dr. Huber: Die Behandlung von Corona-Patienten sowie Verdachtsfällen erfordert strikte Hygienemaßnahmen und abgetrennte Zimmer oder Bereiche, so dass schon auf Normalstation der doppelte Personalbedarf für das Pflegepersonal kalkuliert werden muss.

Auf der Intensivstation ist das genauso der Fall. Das hat in den letzten Wochen wie in der zweiten Welle zu einer enormen Belastung des Personals geführt. Viele mussten für zusätzliche Dienste einspringen, auf Ausgleich von Überstunden und auf Urlaub verzichten.

Über die Hälfte der Planbetten waren geschlossen

wochenblatt: Wie stark wurden in den drei „Wellen“ Kapazitäten für Corona-Patienten erweitert – für Intensiv- und Nicht-Intensiv-Behandlung – und wo liegen die Grenzen für eine Erweiterung?

Dr. Huber: In der kritischsten Phase der Pandemie im Januar 2021 haben wir die Intensivkapazität um 50 % von 10 auf bis zu 15 Betten erhöht. Mit Pflegekräften aus dem Anästhesiebereich und von den Normalstationen konnte notwendige Unterstützung für die Intensivstation gewonnen werden. Dennoch sind aber gut ausgebildete Intensivpflegekräfte für die Pflege von COVID-Intensivpatienten und anderen Schwerstkranken der begrenzende Faktor für eine weitere Erhöhung der Bettenzahl.

In der Nicht-Intensiv-Behandlung wurden zwei komplette Stationen für COVID-Fälle genutzt. Durch den Mehrbedarf an Pflegepersonal in diesen Bereichen mussten wir über die Hälfte unserer 290 Planbetten schließen.

Es wurden nur noch Notfalloperationen und -behandlungen durchgeführt, alles andere wurde aufgeschoben.

wochenblatt: In Eckental und im wochenblatt-Land leben die Menschen mit mehr Möglichkeiten, um sich in der Freizeit draußen mit Abstand zu bewegen, als in einer Innenoder Großstadt. Wie nehmen Sie beruflich und privat diesen Unterschied in den Lebensumständen wahr?

Dr. Huber: Die Lebensumstände der Menschen haben einen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, an COVID-19 zu erkranken. Der Wohnort ist dabei aber nur einer von vielen anderen Faktoren, wie zum Beispiel der Arbeitsplatz und die Wohnsituation. Ich verstehe sehr gut, dass die Menschen aus den Städten mehr Zeit im Freien und auf dem Land verbringen wollen, wenn sie beruflich und in ihren Freizeitmöglichkeiten stark eingeschränkt sind.

wochenblatt: Würden Sie die aktuellen Lockerungs-Szenarien der Politik bewerten oder kommentieren? Was wünschen Sie sich von den wochenblatt-Lesern und für die wochenblatt- Leser in den kommenden Monaten?

Dr. Huber: In der Corona-Pandemie sind Politiker, wie alle anderen Entscheidungsträger absolut auf Neuland unterwegs. Immer wieder sind Entscheidungen zu treffen, für die nicht zuverlässig eine belastbare Grundlage vorhanden ist. In der Bewältigung der Pandemie können sich daher auf allen Ebenen Situationen ergeben, wo sich erst im Nachhinein herausstellt, ob die Entscheidung richtig war.

Von den wochenblatt-Lesern wünsche ich mir, dass sich noch mehr über die Impfzentren oder über ihre Hausarztpraxen für eine Corona-Impfung anmelden und impfen lassen. Genießen Sie mögliche Freiheiten, aber halten Sie sich weiter an die Hygieneregeln, damit die Inzidenzen nicht wieder steigen, sondern stabil in einem möglichst niedrigen Bereich bleiben.

wochenblatt: Wann gehen Sie wieder in den Biergarten?
Dr. Huber: Sobald als möglich, bei passendem Wetter…

Autor:

wochenblatt - Redaktion aus Eckental

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