Die nächste Generation
Obstbau-Tradition international

Foto: Uwe Rahner
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In gut zwei Wochen beginnen bei uns die Ferien. Lorenzo Mattivi fährt aber schon am Freitag nach Italien, weil sein landwirtschaftliches Praktikum in Mitteldorf (Markt Igensdorf) wie geplant endet. Zusammen mit Landwirt Martin Friedrich traf der 16-Jährige im Juni sogar seinen Vorgänger Daniele Stenico, der vor 35 Jahren als Praktikant in den hiesigen Kirschgärten fleißig mithalf. Die Freuden und Mühen des Obstanbaus kennt Lorenzo von zuhause, wo seine Familie auf 10 Hektar Trauben und Äpfel anbaut.

Das „Istitutio Agrario di San Michele all’Adige“ in der Provinz Trient (Trentino) ist eines der berühmtesten italienischen Weinbauinstitute. Die landwirtschaftliche Lehr- und Versuchsanstalt widmet sich neben Weinbau auch dem Obstbau und der Milchwirtschaft. Hier werden auch auch eigene Weine produziert und vermarktet sowie Geschmacksstoffanalysen, Mikrobiologie sowie die sensorische Prüfung von Weinen gelehrt.

1988 war Daniele Stenico aus dem Trient ebenfalls Schüler dieser Weinbauschule. Über die Zusammenarbeit mit der Staatlichen Berufsfachschule für Ernährung und Versorgung im Beruflichen Schulzentrum Forchheim kam er damals als Praktikant auf den Hof von Martin Friedrich in Mitteldorf. 35 Jahre später ist er Önologe und Dozent in der Region Padua und hat den Austausch zwischen den Fachschulen wieder aufgegriffen. Die italienischen Praktikanten profitieren hier vor allem vom Umgang mit der deutschen Sprache, die berufliche Perspektiven im Öffentlichen Dienst und in internationalen Geschäftsbeziehungen eröffnet.

Lebensmittelproduzenten ­tauschen sich aus

Das Wiedersehen im Juni 2023 war erfreulich und emotional. Seit 1988 hat sich viel getan: Martin Friedrich hat den Hof von den Eltern übernommen, vor einigen Jahren die Milchwirtschaft aufgegeben und konzentriert sich jetzt auf extensive Weidehaltung von Simmentaler Rind, Ackerbau sowie den Kirschenanbau. Seit Februar ist er fast täglich in den Kirschgärten „auf der Katz“, der Anhöhe südöstlich von Mitteldorf. Erst zur Baumpflege, seit drei Wochen zur Kirschenernte. Die versucht man ohne osteuropäische Saisonarbeiter zu bewältigen, indem die ganze Familie mithilft. Ehefrau Anja ist genauso dabei wie Sohn Elias, Tochter Emily ist beim Direktverkauf aktiv. Unterstützt wird man von Freunden, die hier ihre Wochenende und ihren Urlaub verbringen.

Martin Friedrich reicht Lorenzo Mattivi (auf dem Pflückschlitten) die „Gretz’n“. | Foto: Uwe Rahner
  • Martin Friedrich reicht Lorenzo Mattivi (auf dem Pflückschlitten) die „Gretz’n“.
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Lorenzo Mattivi kann sich dabei gut einbringen. Er war vergangenes Jahr schon einmal in Kirchehrenbach im Ensatz, nun pflückt er gerne im wochenblatt-Land. Neben dem „Kerschenblouden“ ist er auch fürs Abwiegen der 6 kg-Steigen und der Kleinpackungen für die Direktvermarktung zuständig.

Zuhause ist der angehende Agrarfachmann in der 1.500-Einwohner-Gemeinde Bedollo in der malerischen Berglandschaft des Trentino. Eine Viertelstunde entfernt und etwa 45 Kilometer südlich der Heroldsberger Partnergemeinde Predaia bewirtschaftet seine Familie in Povo bei Trient auf 10 Hektar Fläche Wein- und Apfelanlagen.

Nicht die letzte Generation der Obsterzeuger

Drei Generationen Fachkenntnis für Obstanbau. | Foto: Privat

Der Kirschenanbau in Franken hat eine jahrhundertelange Tradition. In vielen Familien werden beim Generationswechsel die überalterten Bäume nicht mehr durch neue Pflanzungen ersetzt. Nicht jeder will das Jahr über die Anlagen pflegen und den Jahresurlaub vom Hauptberuf mit der Kirschenernte verbringen – auch angesichts einer generell sinkenden Wertschätzung für heimische Landwirtschaft, von der sich die Gesellschaft mehr und mehr entfremdet.Um so freudiger empfindet es Martin Friedrich, dass er und Daniele Stenico nicht der letzten Generation der Obsterzeuger angehören, sondern sein italienischer Praktikant in seine persönliche Zukunft investiert – und in die des bäuerlichen Obstanbaus.

Autor:

wochenblatt - Redaktion aus Eckental

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