Schnaittacherhaus in Forth
Historischer Hintergrund

Foto: Helmut Meyer zur Capellen
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Führung durch die jüdische Geschichte
von Forth

Auf Anregung des „Freundeskreises Ehemalige Synagoge Ottensoos e.V.“ führte Dr. Martina Switalski am 16. März durch das „jüdische“ Forth. Beide Orte waren Teile der Medina Oschpah, der ehemaligen Rabbinatsgemeinschaft Ottensoos-Schnaittach-Forth-Hüttenbach und konnten einen regen Austausch über jeweils ansässige jüdische Familien vor Ort und auch den Umgang mit dem jüdischen Erbe führen.

Neben dem Schloss als israelitischem Kindererholungsheim von 1911 bis zur Arisierung durch den NS-Lehrerbund 1935 und Ausführungen zur ehemaligen Synagoge und jüdischen Schule stand die Familie Schnaittacher im Fokus der Führung. Die weitverzweigte Verwandtschaft war spätestens seit 1813 in Forth ansässig und betrieb Tuch- und Hopfelhandel in den heutigen Häusern Martin-Luther-Str. 12 (Postclub), Martin-Luther-Str. 1 (soganntes Gottesmannshaus) und Forther Hauptstraße 47. Fritz Schnaittacher wurde als Jude und Sozialdemokrat 1933 als 20-Jähriger vom Forther Gendarm Hegwein willkürlich verhaftet, floh nach Amerika und kehrte als Second Lieutenant des 157. Infanterieregiment der 45. Division der Nationalgarde von Oklahoma als I.P.W. (Interrogators of Prisoners of War – Befrager von Kriegsgefangenen) der U.S. Army Intelligence 1944 zurück. Sein Interview mit dem United States Holocaust Memorial Museum von 1995 gibt uns heute noch Aufschluss über seine Familie und sein Überleben.

Erinnerungen von Fritz Schnaittacher

„Mein Vater hatte zwei unverheiratete Schwestern und zwei oder drei, nein vier, einzelstehende Brüder , die in zwei Häusern wohnten, die unserem gegenüberstanden. Er hatte auch eine verheiratete Schwester, die ein paar Häuser weiter im Dorf wohnte. […] Die Familie war im Stoffhandel. Ein Teil des Hauses war der Laden, wo wir die Stücke verkauften. Aber die Männer des Hauses gingen dem Hopfengeschäft nach. Dies war eine Hopfenanbaugegend und wir gingen umher, mein Vater und meine Onkel gingen auf die Bauerndörfer, um Hopfen zu kaufen. Wir schwefelten und bündelten ihn und brachten ihn mit dem Pferdewagen zum größten Hopfenmarkt der Welt nach Nürnberg. Es gab damals keine Autos im Dorf. Tatsächlich bekam meine Mutter, ich glaube 1923 oder 1924, den ersten Pkw. [Vorher fuhr sie] mit Pferd und Wagen in die Bauerndörfer [herum], um ihre Waren von Haus zu Haus zu verkaufen und die Bauern in den Dörfern in ihr Geschäft ein[zuladen], um dort zu kaufen. Sie war eine erstaunlich lebendige und mutige Frau.“

Nach der Pogromnacht wurden zwei seiner Onkel, „einer in München, der bei dem ich gearbeitet hatte, der andere in Mannheim, […] von der Gestapo heimgesucht und wurden in das Konzentrationslager in Dachau gebracht, von wo sie später entlassen wurden. Sie erlitten schwere körperliche Schäden“. Fritz versuchte seine Verwandtschaft zum Auswandern zu bewegen und half, wo er konnte. Seit 1939 offiziell US-Bürger, trat Fritz Schnaittacher kurz nach seiner Heirat im Februar 1942 in die U.S. Army ein. Sein Regiment befreite die 32.335 verbliebenen Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau am 30.4.1945. Diese Tage gehören zu den schlimmsten Erinnerungen seines Lebens. „Ich wusste von früher, dass Dachau ein Lager war, in dem die Menschen gefoltert und zerbrochen wurden. Die Führung meines Regiments kam am Nachmittag in Dachau an und ich sollte mich beim Hauptquartier des Lagers melden. Als ich ankam, stand vor dem Tor einer dieser schrecklichen Züge. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Der Frachtzug war voll mit Leichen. Uns wurde erzählt, es sei ein Frachtzug gewesen, der sie vom Osten in den Westen transportiert habe. Und ohne Nahrung und wenig Kleidung starben die meisten an Hunger. Wer versuchte, von den Wagen zu klettern, wurde von der SS erschossen. Als ich wenig später Menschen wie lebende Leichen sah, konnte ich nicht das Gefühl unterdrücken, dass die Toten besser dran waren als die Lebenden. Diesen lebenden Skeletten mit ihren verwüsteten großen Augen sah man deutlich an, was sie erlitten hatten. Endlose Pein.“

Autor:

wochenblatt - Redaktion aus Eckental

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