Eckentaler Archivgeschichten
Der Wasenmeister von Forth

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Heute ist der Begriff „Abdecker” vielen nicht mehr geläufig und noch weniger die noch ältere Bezeichnung „Wasenmeister”. Die Arbeit des Wasenmeisters oder Abdeckers bestand in der Abholung toter oder der Tötung kranker Tiere sowie ihrer Verarbeitung und Beseitigung. Wie man sich denken kann, brachte diese Arbeit übelste Gerüche mit sich, weshalb die Abdecker abseits von Ortschaften angesiedelt wurden.

In den Quellen des Eckentaler Archivs taucht der Abdecker das erste Mal auf einem Plan von Forth auf, auf dem auch Büg abgebildet ist (siehe Foto). Leider fehlt die genaue Datierung des Plans. Die Beschriftung „Steuergemeinde Forth des k.(öniglichen) Landgerichts Erlangen im Rezatkreise“ weist auf einen Entstehungszeitraum zwischen1808 und 1837 hin. Die hiesige Region war während dieser Jahre Teil des Rezatkreises, bevor sie 1838 in „Mittelfranken“ umbenannt wurde.

Wie aus dem Plan ersichtlich ist, war der Abdecker auf Büger Gebiet angesiedelt, wurde aber
auch von anderen Dörfern genutzt. Ab den 1880ger Jahren bis 1930 lag das Gewerbe nachweisbar bei einer Familie Braun, mit der die Gemeindeverwaltungen Verträge über Umfang und Kosten der zu verrichtenden Arbeit schlossen.
Den Vertrag vom 27.02.1928 zwischen der Gemeinde Forth und dem Wasenmeister Andreas Braun können Sie mit allen Detailregelungen unter Wochenklick nachlesen. Wann der letzte Abdecker in Büg/Forth seine Arbeit beendete, ist nicht bekannt. Falls Leser des Wochenblatts mehr dazu wissen, ist das Archiv dankbar für Informationen.
Heute wird die Arbeit des Abdeckers in großen Tierkörperverarbeitungsanlagen verrichtet. Zur Seuchenvermeidung und aus hygienischen Gründen ist sie nach wie vor wichtig.

Aus den Gemeinde-Verwaltungsbeschlüssen Forth Band 7 1922-1934, Forth 27. Februar 1928

Unter Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses vom 18. März 1924 Ziff. VIII wird mit dem Wasenmeister Andreas Braun in Forth folgender neuer Vertrag geschlossen.

(A)
Der Wasenmeister Andreas Braun verpflichtet sich im Gemeindebezirk Forth

  1. alle gefallenen und getöteten Haustiere und Teile von solchen, wie sie z. B. bei der Fleischbeschau anfallen, vorschriftsmäßig zu beseitigen. Die Tiere oder Tierteile sind innerhalb 24 Stunden nach der Benachrichtigung des Wasenmeisters, soweit sie nicht überbracht werden können, abzuholen; Sonn- und Feiertage sind nur bei Seuchenfällen in dieser Frist einzurechnen.
  2. alle auf polizeiliche Anordnung zu tötende Tiere sofort zu töten und vorschriftsmäßig zu beseitigen.
  3. die polizeilich angeordnete Einsperrung von kleineren Haustieren vorschriftsmäßig vorzunehmen und für die Ernährung der eingesperrten Tiere zu sorgen.

(B)

  1. Die Gemeinde Forth verpflichtet sich, als Entschädigung an den Wasenmeister Braun für die Ausführung der unter Ziff. A aufgeführten Verpflichtungen eine jährliche Vergütung von 70 Mark aus der Gemeindekasse zu zahlen, welcher Betrag auf die landwirtschaftlichen Tierhalter umgelegt werden kann.
  2. Für Sektionen tollwutverdächtiger oder tollwutkranker Tiere erhält der Wasenmeister, soweit die Tiere aus dem Gemeindebezirk Forth stammen, eine besondere Vergütung von bis zu 6 Mark, die vom Tierbesitzer zu bezahlen ist, für deren Einbringlichkeit die Gemeinde haftet.
  3. Die Haut gefallener Tiere im Alter bis zu einem Jahr verbleibt in allen Fällen dem Wasenmeister. Dagegen steht das Verfügungsrecht bzw. der Erlös für die Häute von über ein Jahr alten Rindern und Pferden dem Vieheigentümer zu.
  4. Von den gewerblichen Viehbesitzern (Viehhändler, Metzger) ist eine Sondergebühr zu entrichten und zwar:
    a) für das Abholen und Beseitigen ganzer Kadaver bis zu 20 Mark
    b) für das Abholen und Beseitigen an Kadaverteilen bis zu 10 Mark
  5. für das Töten und Beseitigen kleinerer Tiere sind von den Überbringern solcher Tiere 50 Pfennig bis 1 Mark (Katzen 0,50 Mark, Hunde bis zu 1 Mark) zu entrichten.
  6. Auf weitere Entschädigungen, Trinkgelder und dgl. hat der Wasenmeister, abgesehen von den in nachstehender Ziff. C genannten Fällen, keinen Anspruch.

(C)
Bei allenfalls auftretenden Massentierkrankheiten und Massenverendungen, z. B. bei Maul- und Klauenseuche, Milzbrand, Rauschbrand usw., kann der Wasenmeister von allen betreffenden Tierhaltern, also auch von den Landwirten, für jeden Fall eine Sondergebühr von 1 bis 10 Mark erheben.

(D)
Bei möglichen Streitigkeiten über die vom Wasenmeister geforderten Gebühren hat zunächst die Ortspolizeibehörde zu vermitteln. Sollte auch dann keine Einigung zu erzielen sein, so ist der Fall dem Bezirksgericht zur Entscheidung zu übergeben.

(E)

  1. Der Vertrag wird auf die Zeit von 3 Jahren abgeschlossen, beginnend am 1. Januar 1928.
  2. Der Vertrag ist beiderseitig erstmals auf das Ende dieser Frist, somit auf 31. Dezember 1930 kündbar. Die Kündigung hat spätestens ein halbes Jahr vor Ablauf der Vertragszeit zu erfolgen.
  3. Wird der Vertrag nicht rechtzeitig auf das Ende der Vertragszeit gekündigt, so läuft der Vertrag jeweils für die gleiche Zeit mit der gleichen Kündigungsfrist weiter.
  4. Bei groben Vertragsverletzungen eines Vertragsteiles ist der Vertrag mit Zustimmung des Bezirksamtes jederzeit sofort kündbar.

v. g. u. u.
Geier (Bgm), Haas, Hopf, Dollinger, Pommer, Richter, Schönwald, Ott, Sperber, Brütting, Arbeiter, Hofmann, Eichner, Holzmann, Kalb

Autor:

wochenblatt - Redaktion aus Eckental

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