Wie gemalt
Ein Stück Kalchreuther Bauernhofgeschichte als Wandbild

Am Backhaus des Spirkbauernhofes in Kalchreuth sieht man seit einiger Zeit den einstigen bäuerlichen Alltag an der Wand. Der Anblick, von dem sich die moderne Gesellschaft schon längst verabschiedet hat, ist aber nur aufs Gemäuer gemalt. Die Bewohnerin des Häuschens hat auf Anregung ihrer Vermieterin den zugemauerten Backofen bildlich zum Leben erweckt. Unter dem Schriftzug des einstigen Eigentümers Fritz Wittigschlager sieht man nun wieder Feuer, Holz und einen Kipf Brot. | Foto: Georg Heck
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  • Am Backhaus des Spirkbauernhofes in Kalchreuth sieht man seit einiger Zeit den einstigen bäuerlichen Alltag an der Wand. Der Anblick, von dem sich die moderne Gesellschaft schon längst verabschiedet hat, ist aber nur aufs Gemäuer gemalt. Die Bewohnerin des Häuschens hat auf Anregung ihrer Vermieterin den zugemauerten Backofen bildlich zum Leben erweckt. Unter dem Schriftzug des einstigen Eigentümers Fritz Wittigschlager sieht man nun wieder Feuer, Holz und einen Kipf Brot.
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Astrid Parade stammt aus dem Emsland, ist beruflich in der Erwachsenenbildung bei der BA (Agentur für Arbeit) tätig und hat seit zweieinhalb Jahren das alte kleine „Austragshaisl“ aus roten Klinkersteinen im Spirkbauernhof gemietet. Das Gebäude hatte früher einen Backofen, der zugemauert wurde – der Rundbogen war nur noch ohne Bezug zum früheren Ofengemäuer zu erkennen.
Der Vermieterin und „Altbäuerin“ Anni Gemmel, im Dorf die „Spirkbauern Anni“, gefiel die triste Wand seit langem nicht mehr. Im Wissen um die malerischen Fähigkeiten ihrer Mieterin hatte sie die Idee, die Mauer zu bemalen. Astrid Parade gefiel der Gedanke, sie hat sich der Thematik und der Vergangenheit des Hauses angenommen. Im Pandemie-Alltag des letzten Sommers hat sie den Backofen mit Fassadenfarbe bildlich zum Leben zu erweckt.
Nach der Beschreibung der Bäuerin, „wie es einmal war“, hat sie die Einzelheiten wie Feuerstelle und Glut, Brotlaib (Kipf), darunter einen Stabel Feuerholz und daneben die sich wärmende Katze szenisch festgehalten. Über dem ehemaligen Backofen prangt noch der alte Schriftzug des einstigen Eigentümers Fritz Wittigschlager.

Lebenswichtige bäuerliche Hausarbeit

Das Brotbacken in den hofeigenen Backöfen, wovon es einst mehrere im Dorf gab, gehörte früher zum normalen Dorfleben. So dokumentiert die Szene auch den Wandel des ländlichen Lebens.
„Meine Mutter hat früher alle drei Wochen gebacken“, berichtet die 84-jährige Anni Gemmel. Das Motiv erinnert an eine Heimat und einen Alltag, von dem sich die moderne Konsumgesellschaft längst verabschiedet hat. Aus kulturhistorischer Sicht kann man den früher lebenswichtigen, traditionellen bäuerlichen Hausarbeiten durchaus eine Träne nachweinen.
Was die Ästhetik der früher tristen Wand angeht, stellt das Bild jetzt schon einen Blickfang dar. Die realistische Darstellung erinnert in jeder Einzelheit an die einstige Brotback-Szenerie.
Als Autodidaktin hat sich Astrid Parade ihre Fertigkeiten mit viel Üben und zahlreichen Versuchen selbst angeeignet. „Ich liebe Farben, strahlend oder warm, sowie Formen und Strukturen in jeglicher Art“. Das Talent und den Umgang mit Farben und Pinsel hat sie aber offenbar auch vom Vater, der ebenfalls gerne malte, klärt die Hobby-Künstlerin auf. Vor ihrem Domizil hat sie einen kleinen, idyllischen Vorgarten, den sie hegt und pflegt, und auch sonst hat sie sich in Kalchreuth gut eingelebt. „Da lässt es sich gut aushalten“ in dieser guten Nachbarschaft, wie die Emsländerin glaubhaft ergänzt.

Der Spirkbauer im Austragshaisla

Als „Austragshaisla“ bezeichnete man früher ein separat auf dem Hof errichtetes kleines Haus, in dem die „Altbauern“ oder „Altsitzer“ nach der Übergabe des Hofes an die Erben den Lebensabend verbringen durften. Diese Geschichte trifft auch auf Fritz Wittigschlager zu, ehemals Bürgermeister von Kalchreuth.
Nach den Aufzeichnungen des Arbeitskreises „Heimat und Geschichte Kalchreuth“ ist das Anwesen mit der ehemaligen Haus Nr. 5 unter dem Namen „Sperkhof“ im 14. Jahrhundert genau 1361 erstmals urkundlich erwähnt. Der Bauernhof hatte ausgedehnte Gemarkungen im Osten des Dorfes und war nach einem früheren Besitzer des Hofes benannt. Die Besitzer des Gehöftes wechselten vor dem 17. Jahrhundert oftmals rasch, so geht es aus den Chroniken hervor.
Im 17. Jahrhundert nach dem 30-jährigen Krieg (1618 bis 1648) kamen protestantische Glaubensflüchtlinge aus Österreich nach Kalchreuth, darunter auch die Familie Wittigschlager, die erstmals 1791 als Hofbesitzer geführt werden. Nach mehreren Besitzergenerationen der Familie vermachte der letzte Nachkomme Fritz Wittigschlager, von 1923 bis 1933 auch Bürgermeister von Kalchreuth und kinderlos geblieben, in den 1930er Jahren das Anwesen an sein Patenkind Hans Fensel, den „Soogschmie“ in der Sackgasse (Soog). Dessen Tochter Anni, die jetzige Altsitzerin, übernahm dann mit ihrem Mann Fritz Gemmel 1958 den Bauernhof und bearbeitete ihn bis ins Rentenalter. Seitdem sind die Ländereien des Anwesens entweder bebaut oder verpachtet. Im eigentlichen Haus wohnt neben der ehemaligen Bäuerin noch ihr Sohn Dieter mit seiner Familie.

Georg Heck

Autor:

wochenblatt - Redaktion aus Eckental

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