Obstgroßmarkt Igensdorf unterstützt Landwirte
Gefahr für den „Kirschgarten der Metropolregion“

FFH-Gebiete im Raum Igensdorf. | Foto: privat
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Der Obstanbau prägt die Schönheit der Kulturlandschaft von der Fränkischen Schweiz über das „wochenblatt-Land“ bis ins Nürnberger Land. Dabei verbinden Obstanbauflächen auf engstem Raum verschiedene Lebensräume wie Säume, Wiesen, offene Bereiche, Bäume und Sträucher und bieten mit dieser Strukturvielfalt seit jeher das Potenzial für eine hohe Artenvielfalt.

Als Erzeugergemeinschaft sehen die Obstgenossenschaft Igensdorf und die Franken Obst GmbH derzeit den Status der Region als großes und bekanntes Anbaugebiet für Süßkirschen und Fränkische Hauszwetschgen in Gefahr. Anlass sind die Pläne der Bundesregierung für die Änderung des Insektenschutzgesetzes und der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung.

Die Fachverbände befürchten dramatische Folgen von pauschalen Verboten, insbesondere für die schon bisher streng regulierte Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in der Nähe von Gewässern und in Schutzgebieten. Das ab 2023 geplante generelle Verbot von Glyphosat zur Unkrautbekämpfung sei zwar umsetzbar, erfordere aber mechanische Bearbeitung und damit mehr Zeitaufwand, Energie und erhebliche Investitionen, die eine heimische Obstproduktion verteuern. Der Obstgroßmarkt Igensdorf stellt seinen Mitgliedern daher bereits zwei Gerätschaften zur mechanischen Beikraut-Regulierung und zur Glyphosat-Reduzierung in ihren Anlagen kostenlos zur Verfügung.

Ein pauschales Verbot von Pflanzenschutzmitteln innerhalb von 10 Metern an Gewässern ignoriert die bereits bestehenden, fachlich fundierten Regeln, die im Rahmen der Zulassung individuell für jedes Präparat und dessen Ausbringung bereits gelten, kritisieren die Praktiker. Besonders problematisch beurteilt man die Ausdehnung des generellen Verbotes von Pflanzenschutzmitteln auf FFH-Gebiete (FFH = europäische Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie für Natur- und Landschaftsschutz), Streuobstwiesen oder artenreiches Grünland.

Für einen wirtschaftlichen Anbau von Süßkirschen und Zwetschgen zur Vermarktung gibt es – anders als bei manchen anderen Obstsorten – auf absehbare Zeit keine wirksame Alternative zum Pflanzenschutz. Allein die Kirschfruchtfliege kann ohne Gegenmaßnahmen bis zu 100 Prozent der Früchte befallen. Madige Kirschen werden im Handel nicht toleriert, befallene Früchte können nicht aussortiert werden, so dass komplette Lieferungen abgelehnt werden.

40 Prozent weniger Kirschen und Zwetschgen bei Verboten auf FFH-Flächen?

Der arbeitsintensive Kirschenanbau wäre bei einem Anwendungsverbot auf FFH-Flächen nicht mehr wirtschaftlich umsetzbar. Zwar ist bislang eine Ausnahme für den Erwerbsobstbau vorgesehen (aber noch nicht beschlossen), doch bei einer Nutzungsdauer von 15 bis 25 Jahren werden sich Landwirte die Investitionen in Neuanlagen mit marktfähigen Sorten und in den Erhalt bestehender Anlagen gut überlegen.

Manche stellen sich schon die Frage, ob sich die aufwändigen Pflegearbeiten für die anstehende Saison überhaupt noch rentieren, berichtet Gesch.ftsführerin Tina Weishaupt. Zudem droht auch der Wert der Flächen zu verfallen, die nicht mehr wirtschaftlich für Kirschenanbau – und durch den Baumbestand auch nicht anderweitig – zu nutzen sind.

Im Bereich der Obstgenossenschaft Igensdorf wären 30 % der Betriebe von einem Anwendungsverbot auf FFH-Flächen betroffen. Diese Betriebe stehen für 40 % des über die Genossenschaft vermarkteten Kirschen- und Zwetschgen-Umsatzes. Die massiven Einschränkungen für diese Betriebe könnten dazu führen, dass mehr als ein Drittel der Erntemengen fehlen würde. Betroffen sind in der näheren Umgebung zum Beispiel Dachstadt, Großenbuch, Hetzles und Ermreuth.

Bisher engagieren sich viele Obstbauern freiwillig im Rahmen von Förderprogrammen für Biodiversität. Für die neuen, weitreichenden Auflagen sind dagegen bisher keine Entschädigungen vorgesehen.

Harter Preiskampf mit Import-Obst

Schon bisher sehen sich fränkische Obstbauern in einem harten Preiskampf mit ausländischen Produzenten, bei denen unter anderem deutlich geringere Pflanzenschutzrichtlinien eine billigere Erzeugung zulassen. Damit der Obstanbau in der Region auch zukünftig wettbewerbsfähig bleibt, hoffen die heimischen Landwirte auf die Unterstützung der Endverbraucher (durch Kaufentscheidung für heimische Ware) und der Politik (durch fachlich fundierte Regelungen mit Augenmaß).

Derzeit liegt der Selbstversorgungsgrad von Obst in Deutschland bei rund 20 Prozent. Am 20. Februar verkündete der Bauernverband Schleswig-Holstein, dass sich Deutschland statistisch ab sofort für den Rest des Jahres aus dem Ausland mit Obst versorgt. Ob die Biodiversität europäisch oder global gefördert wird, indem die Erntemenge in Deutschland politisch radikal reduziert wird, bezweifeln auch die fränkischen Obsterzeuger.

Obstmarkt Igensdorf fördert Biodiversität

Die Landwirte im Erwerbsobstbau, ihre Genossenschaften und Fachverbände wollen die Möglichkeiten, die Artenvielfalt auch in modernen Anlagen zu bewahren oder wiederherzustellen, nutzen und weiterentwickeln. Unter anderem stellt der Obstgroßmarkt Igensdorf seinen Mitgliedern neben den Geräten zur mechanischen Beikrautregulierung auch kostenlose Insektenhotels zur Verfügung.

Die Genossenschaft beteiligt sich mit der Fachgruppe Obstbau im „Bundesausschuss Obst und Gemüse“ sowie mit dem „Bayerischen Erwerbsobstbau-Verband“ auch politisch an den Bemühungen, wirtschaftlichen Obstbstanbau und Biodiversität in Einklang zu bringen.

10 Jahre Bundesprogramm Biologische Vielfalt

Um den weltweiten Rückgang der biologischen Vielfalt aufzuhalten, wurde 1992 das UN-Übereinkommen „Convention on Biological Diversity“ (CBD) beschlossen. Deutschland ist dieser Verpflichtung mit der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) im Jahr 2007 nachgekommen. Die Vereinten Nationen haben im Dezember 2010 das Jahrzehnt von 2011 bis 2020 zur „UN-Dekade Biologische Vielfalt“ ausgerufen.

Am 15. Februar vor 10 Jahren wurde vom Bundesamt für Naturschutz das „Bundesprogramm Biologische Vielfalt“ gestartet, das abgestimmt mit Ländern und Kommunen, Waldbesitzern, Landnutzern und Naturschutzverbänden die Umsetzung der Nationalen Strategie unterstützen soll. Hier arbeiten die Obstbauverbände mit ihrer Sachkompetenz aktiv mit.

Biodiversitäts-Kalender 2021 „Die Obstanlage“

Für ihre Mitglieder hat die Obstgenossenschaft Igensdorf den Biodiversitätskalender 2021 angeschafft und weitergegeben. Der Kalender mit dem Titel „Die Obstanlage - wichtiger Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten“ entstand im Rahmen eines Projektes zur Erhöhung der ökologischen Vielfalt in Erwerbsobstanlagen und Streuobstwiesen, gefördert durch das Bundesumweltministerium und das Bundesamt für Naturschutz.

Der Biodiversitätskalender „Die Obstanlage“ ist – Corona-konform – beim Obstgroßmarkt Igensdorf erhältlich. | Foto: privat
  • Der Biodiversitätskalender „Die Obstanlage“ ist – Corona-konform – beim Obstgroßmarkt Igensdorf erhältlich.
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Aufgehängt zeigt der Wandkalender im offenen Format DIN A3 in vielen Fotos eindrucksvoll die Vielfalt in deutschen Obstanlagen: Flächen mit Baumobst werden 15 bis 25 Jahre wirtschaftlich genutzt, bevor eine Neupflanzung ansteht, und bieten ähnlich wie Hecken eine Fülle an Lebensräumen und ökologischen Nischen auf engstem Raum.

Der Kalender ist für Kunden, die beim Obstmarkt Igensdorf beispielsweise Saft der Kelterei Plassenburg kaufen, kostenlos erhältlich von Montag bis Donnerstag von 9 bis 12 Uhr und 14 bis 17 Uhr sowie Freitag von 9 bis 12 Uhr – beides allerdings während des Lockdowns nur per telefonischer Bestellung unter 09192-92500.

Die Obstgenossenschaft Igensdorf setzt sich dafür ein, dass die hohe Qualität der heimischen Obsterzeugnisse weiterhin ihren Stellenwert behält – oder sogar steigert. Denn die fränkischen Kirschen und Zwetschgen entsprechen höchsten Standards, und ungeachtet aller politischen Sorgen hoffen alle Beteiligten für die kommende Saison auf eine gute Ernte 2021.

FFH-Gebiete im Raum Igensdorf. | Foto: privat
Der Biodiversitätskalender „Die Obstanlage“ ist – Corona-konform – beim Obstgroßmarkt Igensdorf erhältlich. | Foto: privat
Autor:

wochenblatt - Redaktion aus Eckental

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