Geheimnisse der Eckentaler Wanderwege
Die alte Ziegelei in Kleingeschaidt

Hier eine Ansicht des Ziegeleigebäudes in Kleingeschaidt nach Westen (um 1910). Das kleine Gebäude links zeigt das Kesselhaus mit Schornstein. | Foto: Peter Bajus
  • Hier eine Ansicht des Ziegeleigebäudes in Kleingeschaidt nach Westen (um 1910). Das kleine Gebäude links zeigt das Kesselhaus mit Schornstein.
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Wer mit offenen Augen die Eckentaler Wanderwege erwandert, wird herrliche Aussichten finden, aber auch viele „unscheinbare Dinge“, an denen man eher achtlos vorbeiläuft. In einer losen Serie stellt Peter Bajus einige dieser Orte vor und erzählt von deren Geheimnissen.

Die auf Dampfbetrieb umgestellte Ziegelei wird in Betrieb genommen

Wir schreiben Samstag, den 26. Mai 1900, es ist ein schöner Frühlingstag mit Temperaturen um 14°C. Es ist zwar etwas bewölkt aber die Sonne scheint des Öfteren hinter den Wolken hervor.

In Kleingeschaidt, Post Eschenau, findet an diesem Tag ein besonderes Fest statt. Konrad Beck nimmt seine neue umgebaute Ziegelei in Betrieb. Er hat seine alte, handbetriebene Ziegelproduktion mit modernster Technik auf Dampfmaschinenbetrieb umgerüstet und mit einem besonderen Brennofen, einem sogenannten Ringofen, ausgestattet.

Für diesen besonderen Tag organisiert er eigens ein kleines Zelt vor dem neu errichteten Ziegeleigebäude, in dem der Ringofen installiert ist, um seine Gäste zu begrüßen. Als Ehrengäste ist der Gemeinderat von Kleingeschaidt mit dem Bürgermeister Langfritz geladen, der Besitzer der „Wolfshöher Tonwerke“ bei Schnaittach, Peter Wolf und der Brauer der Brauerei Brand, Michael Gottschalk, der es sich nicht nehmen lässt, persönlich mit einem festlich geschmückten Pferdefuhrwerk ein 100-Liter-Fass Bier von Brand auf die Höhe nach Kleingeschaidt zu transportieren. Zu Peter Wolf hat Konrad Beck eine besondere Beziehung, da er in der Vergangenheit schon öfter mit ihm bei einem Glas Bier über die Ziegelproduktion diskutiert hat und er ihm seine Dampfmaschine aus der Wolf‘schen Tongrube im Werk Wolfshöhe, die dort nach sechs Jahren einer größeren Dampfmaschine weichen musste, für einen Freundschaftspreis überlies. Eine Blaskapelle und gegrillte Bratwürste tragen am heutigen Tag zur Unterhaltung und zum Wohlbefinden der Gäste und der erschienen Bevölkerung bei. Nachdem die Gäste von Konrad Beck sich gestärkt haben, lädt er sie zu einem Rundgang durch sein neues Ziegelwerk ein.

Johann Conrad Beck beginnt die Ziegelei mit Handproduktion

Konrad Beck übernahm 1886 die Ziegelei von seinem Vater Johann Conrad Beck, auch „Kästelbauer“ genannt. Sein Vater baute 1877 die Ziegelei neben der Landwirtschaft auf und begann die Ziegelproduktion im Handbetrieb. Lehm gab es zu dieser Zeit im Gemeindegebiet von Kleingeschaidt ausreichend. So befand sich eine größere Lehmgrube an der Verbindungsstraße von Kleingeschaidt nach Eschenau (genau gegenüber des heutigen Fernmeldefunkmastes) in westlicher Richtung. Sie hatte eine Abbaufläche von ca. 5000 m2. Der Lehm hier war graublau gefärbt. Die zweite Abbaugrube war in südlicher Richtung (am Beginn der heutigen „Reime-Siedlung“) mit einer Größe von ca. 1000 m2. Dieser Lehm hatte eine gelbe Färbung. Auch auf den landwirtschaftlichen Flächen in Kleingeschaidt gab es genügend Lehm, den die Bauern abbauten und zur Ziegelei fuhren. Die Ziegelproduktion war ausschließlich ein Saisongeschäft.

Lehm baute man hauptsächlich im Winter ab, lagerte ihn bis in den Frühling und bereitete ihn dann mit Sand und Wasser auf, um ihn in Holzformen zu streichen umso die Backsteinrohlinge anzufertigen, die dann zum Trocknen einige Zeit lagerten. Hatte man genügend Rohlinge, baute man mit ihnen einen Meiler auf. Zwischen den Rohlingen wurde Kohlenstaub gestreut und am Schluss der Backsteinmeiler mit strohvermischtem Lehm luftdicht zugeschmiert und der Meiler unten angezündet.

Ziegelei und Landwirtschaft werden getrennt

Konrad Becks Vater merkte schnell, dass er mit den wenigen Arbeitern, die auf seinem Hof die Landwirtschaft betrieben, im Sommer nicht gleichzeitig Ziegel herstellen konnte. So heuerte er für die Ziegelproduktion in den Sommermonaten einige Fremdarbeiter, sogenannte „Ziegler“, an. Diese mussten aber verköstigt werden und brauchten einen Schlafplatz. Daher stellte er beim Bezirksamt in Erlangen den Antrag eine Gaststätte aufbauen zu dürfen. Sein jüngster Sohn Konrad interessierte sich von Anfang an für die Ziegelherstellung. Kaum mit der Schule fertig, half er dem Vater in der Ziegelei. Sein älterer Bruder Fritz interessierte sich mehr für die Landwirtschaft des Vaters. Um Ziegelei und Landwirtschaft zu trennen, überschrieb Johann Conrad Beck 1886 die Ziegelei und das Gasthaus seinem jüngsten Sohn Konrad und den Hof mit der Landwirtschaft dem ältesten Sohn Fritz.

Das Herz der modernen Ziegelei war das 8,50 Meter breite und 18 Meter lange Kesselhaus, in dem sich die Dampfmaschine, der Lehmmischer und die automatische Ziegelpresse befanden. Das Antriebsrad der Dampfmaschine betrieb die Produktionsmaschinen im Kesselhaus, als auch das Transportband für die Ziegelrohlinge und den Aufzug im Ziegeleigebäude. Über diesen Aufzug wurden die Rohlinge in den zweiten Stock befördert, um über dem Ringofen zu trocknen. Der Brennofen mit den Brennkammern befand sich im ersten Stock des Ziegeleigebäudes und darunter, im Erdgeschoss die Kammern, in denen die Rohlinge zu Backsteinen gebrannt wurden. Die beiden Schornsteine der Dampfziegelei, einer für das Kesselhaus und einer für den Ringofen, waren fortan das Wahrzeichen von Kleingeschaidt.

Konrad Beck verkauft die Ziegelei

Diese dampfbetriebene Ziegelproduktion konnte Konrad Beck bis 1922 mit Erfolg betreiben. Als 1922 die große Wirtschaftskrise mit hoher Inflation die Wirtschaft traf, musste Konrad Beck seine Ziegelei wegen schlecht gehender Geschäfte verkaufen.

Danach ging sie durch mehrere Hände, die die Ziegelproduktion mehr schlecht als recht betrieben. Der Besitzer der Ziegelei in den 1920er Jahren tauschte die mit Kohle gespeiste Dampfmaschine gegen eine mit Dieselöl betriebene Maschine. Mit diesem Tausch wurde der Schornstein des Kesselhauses überflüssig und abgetragen.

1928 gab es wieder einen neuen Besitzer, Friedrich Putbrese, der auch in die Ziegelei investierte, aber schon 1931 Konkurs anmelden musste. Konrad Beck gelang es die Ziegelei zurückzukaufen und damit vor dem Verfall zu retten. Überraschend starb Konrad Beck am 21. Februar 1932 und hinterließ seinem Sohn Hans Beck die Ziegelei.

Das zur Ziegelei gehörende Gasthaus übernahm Hans Beck bereits 1928. Hans Beck hatte an der Ziegelproduktion kein Interesse und suchte einen Käufer. Erst 1936 gelang es ihm einen Interessenten zu finden, der die Ziegelei kaufte, sie aber ein Jahr später wieder weiterverkaufte, an einen Ernst Höfler. Höfler ersetzte die Dampfmaschine im Kesselhaus, die nicht mehr betriebsfähig war, gegen einen starken Elektromotor, hatte aber wegen des Kriegsbeginns des zweiten Weltkrieges keinen geschäftlichen Erfolg mehr und musste 1941 die Produktion ganz einstellen.

Die Ziegelei wird 66 Jahre nach ihrer Gründung stillgelegt

Auf Grund der Kriegsereignisse und der zunehmenden Luftangriffe auf Nürnberg suchte die Nürnberger Präzisions-Werkzeugfirma Ernst Reime ein Firmengebäude außerhalb von Nürnberg. So konnte Hans Höfler 1943 das gesamte Areal einschließlich des Ziegeleigebäudes an die Firma Reime verkaufen, die umgehend einen Teil ihres Betriebes nach Kleingeschaidt verlagerte. Mit Hilfe von Kriegsgefangenen wurde das Ziegeleigebäude notdürftig hergerichtet, um die Produktion der Präzisionswerkzeuge wieder aufzunehmen. Noch im Krieg wurde der große Schornstein abgetragen und der Ringofen ausgebaut.

Sukzessive baute Ernst Reime das Gebäude um und renovierte es. Im Zuge dieser Maßnahmen wurde zur Verschönerung der Außenansicht die Nord- und die Westfassade mit einem Fachwerk versehen, wie es vielen Bewohnern von Kleingeschaidt noch in Erinnerung blieb.

Wegbeschreibung

Wer diesem ehemaligen Industriedenkmal von Kleingeschaidt nachspüren möchte, kann dieses mit dem Eckentaler Rundwanderweg Nr. 3 erreichen. Man beginnt die kurze Wanderung vor dem ehemaligen Schuhhaus Ammon in Eschenau. Folgt den Wegezeichen des Wanderweges Nr. 3 in südliche Richtung durch die Klingenstraße, dann weiter durch die Heroldsberger Straße bis zu deren Ende.

Der Wanderweg führt leicht bergauf durch Wiesen, bis man oben auf einen kleinen asphaltierten Weg stößt, dem man im rechten Winkel nach links folgt. Nach wenigen Schritten erreichen wir mit dem Wegezeichen Nr. 3 die kleine Ortsverbindungsstraße Eschenau-Kleingeschaidt, direkt unterhalb des ehemaligen Wasserhochbehälters.

Nun verlassen wir den Wanderweg und folgen der Straße nach rechts ca. 350 Meter, bis wir auf der linken Seite den Fernmeldeturm erreichen. Genau gegenüber des Turmes, in westlicher Richtung, befand sich früher eine der Lehmgruben der Ziegelei. Das Grubengelände wurde nach Schließung der Ziegelei wieder verfüllt und mit Erde abgedeckt. Heute wird auf diesem Gelände das Kleingeschaidter Sonnenwendfeuer abgebrannt. Das Areal der ehemaligen Lehmgrube ist im Westen und im Osten mir kleinen Bäumen und im Norden mit einer Hecke teilweise umsäumt. Von hier hat man auch einen wunderschönen Blick hinunter ins Schwabachtel mit Brand und Eschenau und im Hintergrund den Lindelberg.

Das ehemalige Ziegeleigebäude stand nur einen Steinwurf entfernt am östlichen Ortsende von Kleingeschaidt (am Ende der Ortsverbindungsstraße von Eschenau kommend). In den vergangenen Jahren entstanden auf den Grundmauern der „Alten Ziegelei“ neue, komfortable Eigentumswohnungen, mit teils herrlichem Blick übers wochenblatt-Land.

Wer den ganzen Eckentaler Rundweg Nr. 3 mit seinen schönen Aussichten wandern möchte, findet den Verlauf in der Wanderkarte des Marktes Eckental, die man an der Rathauspforte kostenlos erhält.

Quellen:

  • Zeitzeuge: Friedrich Ziegler, Kleingeschaidt, mündliche Informationen, eigene Aufzeichnungen 
  • Staatsarchiv Nürnberg: Bezirksamt Erlangen, Abgabe 1978, Nr. 2586; Errichtung einer Dampfziegelei durch Johann Conrad Beck
  • Peter Bajus: Die Geschichte der alten Ziegelei in Kleingeschaidt
Autor:

wochenblatt - Redaktion aus Eckental

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